Die Deutschen sollten sich ihren historischen Schuldgefühlen stellen, meint Patricia Khoder, Journalistin aus dem Libanon. Sie sollten nicht weiter in Distanz zu sich selbst leben, sondern sagen, was sie wirklich denken – über Einwanderung, Integration, die Euro-Krise, die ärmeren Länder in Europa.

Es ist Zeit, dass die Deutschen aufhören, sich schuldig zu fühlen, dass sie sich weiterentwickeln und vielleicht die Dinge etwas weniger ernst nehmen. Nicht noch mehr bauen und aufbauen, das kann ohnehin keiner besser. Die ganze Aufbauerei, erst im Westen und dann im Osten, ist wahrscheinlich doch nur eine Flucht vor den eigenen Gefühlen. Seit 1933, und sicher schon davor, war harte, ernste Arbeit der einzige Wert, der in Deutschland etwas galt. Und vielleicht hat sich Deutschland seitdem nicht wirklich weiterentwickelt.

Die Deutschen sollten sich ihren Schuldgefühlen stellen und nicht weiter in Distanz zu sich selbst leben, sie sollten sagen, was sie wirklich über Einwanderung, Integration, die Euro-Krise, die ärmeren Länder in Europa denken und fühlen – frei von Angst davor, beurteilt zu werden oder als Rassisten verurteilt zu werden. Wenn sie sich diesen Themen ohne Schuldgefühle stellen, werden sie vielleicht auch befriedigende Lösungen finden.

Die Frage ist jedoch, ob die Deutschen ohne Schuldgefühle, die seit Luther in der deutschen Seele verankert und durch den Zweiten Weltkrieg vertieft wurden, ob sie ohne Pflichtbewusstsein und harte Arbeit, ob die Deutschen dann noch immer Deutsche sind, echte Deutsche.